Vom Orginal zu Parodie

Um eine Fernsehserie auf eine witzige Art nachzusynchronisieren und zu parodieren bedarf es mehrerer intellektueller Erkenntnisse wie auch technischer Kompetenzen. Der Weg zur fertigen Parodie führt vom eigentlichen Verstehen der TV-Serie über die Reifung einer Idee zur Gestaltung der Überarbeitung. In diesen drei Hauptschritten soll dieser Weg nun nachvollzogen und interpretiert werden.

 

Verstehen

Wie muss man das rezeptive Medium Fernsehen und eine Serie also verstehen, um es anschließend bearbeiten zu können? Zu den Basisfähigkeiten gehören medienspezifische Rezeptionsmuster. Hier sind im weitesten Sinne technologisch-instrumentelle Fertigkeiten, wie das Einschalten und Bedienen des Gerätes, gemeint. Doch diese Fähigkeiten sind so grundlegend, dass sie hier mehr als Fußnote zu sehen sind. Als wichtiger erweist sich das Wissen um das Medium selbst. Das Fernsehen muss in diesem Bezug als inszeniertes Abbild der Realität verstanden werden. So eröffnet sich ein neuer Blick auf die Star-Trek-Serie. Reale gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie die gegenwärtigen westlichen Normen und Werte, werden in die Zukunft übertragen und dort als Idealwelt inszeniert. In diesem Prozess erkennt der Zuschauer die Absicht der Serie, denn es wird ein Weltbild erzeugt, welchem es im Hier und Jetzt nachzueifern gilt. Folgerichtig beruht das Format mehr auf inhaltliche Aussagen als auf visuelle (Actionfilme) oder emotionale Effekte (Talk-Shows, Liebesfilme). Es wird bei den originalen Star-Trek Serien großer Wert auf politisch richtige Debatten gelegt und heute schon aktuelle Diskussionen, wie zum Beispiel die Eingliederung und der Wert künstlicher Intelligenzen, wird aufgegriffen. Das Medienwissen steht jedoch allein ohne die medienbezogene Genussfähigkeit und die Kenntnis um sie. Hier sind vor allem Effekte wie die Identifikation, Immersion (in die Welt eintauchen) und der Perspektivenwechsel gemeint. Diese Effekte mussten die Produzenten der Parodie zum einen selbst durchleben, denn erst durch den Genuss der Serie entsteht der Antrieb zur Neuvertonung. Man muss beispielsweise die Probleme von Captain Picard nachvollziehen, miterleben und sie spannend finden können, um Interesse an einem derartigen Projekt zu zeigen. Um das Ganze jedoch erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer abstrakteren Vorstellung von der eigenen Genussfähigkeit und der anderer Star-Trek-Liebhaber. Die Rolle des immer diplomatischen Picard muss erlebt und durchschaut werden, um sie auf ironische Art uminterpretieren zu können. Eine letzte wichtige Fähigkeit ist die medienbezogene Kritikfähigkeit. Die Medienbotschaft wurde durchschaut und kann nun durch eine kritische Sicht hinterfragt werden. So entsteht eine analytisch-distanzierte Verarbeitungshaltung, die den Ideenreichtum für die Interpretation ermöglicht. Mit diesen grundlegenden Kompetenzen ausgestattet, fehlt es nun nur noch an einer Idee, um ein Projekt wie SiW zu starten.

 

Idee

Wie so oft spielte der Zufall bei der Findung der Idee eine wesentliche Rolle, denn sie entstand, als Star Trek- The Next Generation (TNG) nebenbei und ohne Ton im Fernsehen lief. Das audiovisuelle Medium war nur noch visuell und es wurde festgestellt, dass auch andere Stimmen und Inhalte zu den Gestiken und Mimiken der Schauspieler passen würden. So ergab sich die Idee einer eigenen Vertonung der Serie. Durch den Spaß an Überspitzungen und Ironie fanden erste witzige Umrahmungen statt. Da die Produzenten in einer Gruppe waren, fanden natürlich Anschlusskommunikationen statt, welche das Bild der neuen Folgen immer mehr festigten. Die Idee nahm also klare Formen an und es wurde Zeit, sie auch umzusetzen.

 

Gestaltung

Es stellt sich erneut die Kernfrage, welche Kompetenzen von Nöten sind, um diese Idee umzusetzen. Zunächst sind die produktive Partizipationsmuster als Kompetenz zu nennen, denn ein eigenes Medienprodukt sollte hergestellt werden. In diesem Fall wäre das vor Allem der Umgang mit Audiogeräten wie einem Mikrofon, einer Gitarre und einer Beatmaschine. Um die spezifischen Star-Trek-Geräusche, wie beim Beamen oder beim Schießen mit einem Phaser, zu erzeugen, wurde ein Schlüsselanhänger mit verschiedenen Enterprisegeräuschen genutzt. Aber auch ein Videorekorder, mit dem man die Tonspur ändern kann, wurde verwendet. Im Bereich des Medienwissens sind Kenntnisse über elementare Produktionsweisen nötig, wie beispielsweise das Schreiben eines Drehbuches und dessen Umsetzung. Außerdem erfolgte eine fiktionale Modalisierung, welche die Werte und Normen aus der idealisierten Zukunft ins profane Hier und Jetzt holte. So gibt es bei SiW zum Beispiel Geld und Handel. Die vorsichtigen Annäherungsversuche von Troi und Riker in TNG sind wahre Unschuldsakte im Vergleich zum Umgang mit Sexualität in der Nachvertonung. Nach dieser recht theoretischen Betrachtung soll nun näher beleuchtet werden, was die Produzenten konkret umgestaltet haben.

 

Gestaltungsmerkmale

Durch stilistische Mittel wie Negation, Überspitzung, Verweltlichung (wie z.B. derber Humor oder Belanglosigkeit) und Dialekt wurden die Figuren der Enterprise und deren ganzes Universum neu geschaffen. Die Enterprise dringt nun nicht mehr in unbekannte Galaxien vor, um sie zu erforschen, sondern ist "das größte fliegende Rehabilitationszentrum für Nassbirnen, für geistig zurückgebliebene Vollidioten, für unheilbare Alkoholiker …" Text Der sonst so diplomatische und korrekte Picard wird zum Schläger und Trunkenbold Text Text. Der smarte und clevere Riker erlebt eine Verdummung, die ihresgleichen sucht Text. Der kämpferische und mutige Klingone Worf wird zum infantilen Angsthasen Text. und der Android Data wird zum defekten Taschenrechner degradiert Text. . Die im orginal sehr fundierten technischen Beschreibungen werden zu einer willkürlichen Aneinanderreihung von Fremdwörten Text. . Dies soll nur ein kleiner Auszug aus der allumfassenden Umwandlung des Originals sein. Natürlich wurden auch die Drehbücher komplett umgemünzt. So wird die Jagd nach dem Ursprung aller Rassen in "Das fehlende Fragment" zum Motorradrennen und die Hilfe und Aufnahme eines bäuerlichen Volkes zu einem riesigen Trinkgelage. In der Umschreibung der Drehbücher und der szenischen Regie (die Neuvertonung ist lippensynchron!) lag vermutlich der größte Arbeitsaufwand der Produktion.